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Lebensgrundlagen für alle schaffen und bewahren, aus Zeit-Fragen Nr. 26/27 2019 (www.zeit-fragen.ch)

Neoliberaler Klimapopulismus

 

Lebensgrundlagen für alle schaffen und bewahren!

von Matthias Burchardt*

Dieser Beitrag beruht auf einer wichtigen Differenzierung. Sie besteht in der Abkopplung der notwendigen Sorge um gute soziale und ökologische Lebensbedingungen vom öffentlichen Klimadiskurs. Er bezieht sich also auf die Denkmodelle und Redeweisen, die momentan rund um das Thema «Klima» produziert und öffentlich ausgestreut werden. Hierbei sind meines Erachtens Trittbrettfahrer unterwegs, die die hysterische Erregung für ihre eigenen Interessen ausbeuten wollen.

«Wenn hier also gegen den Klimapopulismus argumentiert wird, geht es nicht darum, die ökologische Verantwortung abzulehnen oder tatsächliches Engagement in Umweltfragen zu diskreditieren. Im Gegenteil soll durch eine kritische Abarbeitung der derzeit gängigen Denkmuster die Verantwortung für die Natur und die menschlichen Verhältnisse erst wieder in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht werden. Leitend bei der Analyse ist also der Verdacht, dass die Klimahysterie den Akteuren des Tiefen Staates durchaus in die Karten spielt, dass der Diskurs angefacht und gesteuert wird und dass diese Steuerung gerade nicht einem guten Leben der Menschheit auf der Erde dienen soll, sondern ein zynisches Herrschaftsinstrument darstellt.»

Wenn hier also gegen den Klimapopulismus argumentiert wird, geht es nicht darum, die ökologische Verantwortung abzulehnen oder tatsächliches Engagement in Umweltfragen zu diskreditieren. Im Gegenteil soll durch eine kritische Abarbeitung der derzeit gängigen Denkmuster die Verantwortung für die Natur und die menschlichen Verhältnisse erst wieder in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht werden. Leitend bei der Analyse ist also der Verdacht, dass die Klimahysterie den Akteuren des Tiefen Staates durchaus in die Karten spielt, dass der Diskurs angefacht und gesteuert wird und dass diese Steuerung gerade nicht einem guten Leben der Menschheit auf der Erde dienen soll, sondern ein zynisches Herrschaftsinstrument darstellt. Mit anderen Worten: Eine genauere Betrachtung der Klimadiskussion soll Mensch und Natur helfen, insbesondere dadurch, dass man die ökologische Frage nicht mehr gegen die soziale Frage ausspielt. Dazu müssen aber die Spaltpilze, Denkfallen und politischen Maskierungen, die durch den Klimadiskurs in die Öffentlichkeit gebracht werden, als solche entlarvt werden.

Der Klimadiskurs zur Vernebelung der politischen Urteilskraft

Auch ohne den Klimadiskurs gibt es hinreichend Anlass, sich um den Zustand unserer natürlichen Lebensgrundlagen zu sorgen. Schon in ästhetischer Hinsicht bemerken wir die Auswirkung unserer Wirtschafts- und Lebensweise auf die uns umgebende Natur. Durch Verschmutzung und Bebauung büssen wir Lebensqualität ein und schmälern den Erholungswert, den die Landschaften um uns herum haben könnten. In medizinischer Hinsicht bemerken wir schädliche Kontaminationen von Luft und Wasser, von pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln. So betrachtet ist Umweltschutz immer auch Menschenschutz, denn giftige Substanzen, Lärm, Strahlung beinträchtigen unser Leben. Bemerkenswert ist, dass es zum Beispiel keine nennenswerte öffentliche Debatte zum Thema 5G-Netze gibt, obwohl viele Zeichen auf gesundheitliche Risiken hinweisen (vgl. https://mobilfunkstuttgart.de/swr-2-impuls-5g-und-das-gesundheitsrisiko-peter-hensinger-contra-bundesamt-fuer-strahlenschutz/).
Doch auch dort, wo es uns Menschen nicht unmittelbar betrifft, gibt es eine Verantwortung für die Natur. Das Christentum beispielsweise ist dazu aufgefordert, die Schöpfung zu bewahren, und zwar nicht nur, weil sie uns nutzt, sondern weil sie das Werk Gottes ist. Weltliche Mitmenschen kennen vielleicht das Gefühl, das Albert Schweitzer «Ehrfurcht vor dem Leben» nannte, was sie daran hindert, anderen Geschöpfen ohne Not Leid zuzufügen.
Allerdings darf man die Natur nicht mit romantischen Klischees überhöhen. Sie ist kein Paradies, wie uns Evolutionsbiologie und Ökologie zeigen, sondern letztlich auch ein gnadenloser Ort, an dem das Recht des Stärkeren im Kampf um begrenzte Ressourcen über Leben und Tod entscheidet. Es ist immer und allein der Mensch, der die ethische Dimension der Verantwortung ins Spiel bringt. Es ist Aufgabe von Kultur und Politik, die Würde der Schwachen und Verletzlichen anzuerkennen und zu verteidigen. Naturschutz kann und muss deshalb nur der Mensch betreiben. Tiere kennen keinen Tierschutz, Vulkane keine Grenzwerte.
Alle genannten Motive des Umweltschutzes – vom medizinischen über das ästhetische bis zum selbstlos ökologischen Denken – haben eines gemeinsam: Sie beziehen sich auf unmittelbar erfahrbare Phänomene. Nur aufmerksame Mitmenschen nehmen schlechte Luft, erhöhte Lärmbelästigung, das Verschwinden von einheimischer Artenvielfalt und den Verlust von Biotopen wahr. Das Klima als Gegenstand der Klimaforschung ist aber kein Gegenstand möglicher Erfahrung, sondern ein wissenschaftliches Konstrukt. Menschen erleben das tägliche Wetter oder Naturveränderungen über längere Zeiträume, das Klima im strengen Sinne ist dagegen ein modellierter Forschungsgegenstand von Klimaforschern, ein voraussetzungsreiches Artefakt. In Wikipedia ist Klima wie folgt definiert:
«Das Klima ist der mit meteorologischen Methoden ermittelte Durchschnitt der dynamischen Prozesse in der Atmosphäre, bezogen auf einen Ort oder auf eine Region, einschliesslich aller Schwankungen im Jahresverlauf und basierend auf einer Vielzahl von Klimaelementen. Es wird nicht nur von den physikalischen und chemischen Abläufen innerhalb der Atmosphäre gesteuert, sondern zusätzlich durch die grossräumigen Einflüsse und Wechselwirkungen der anderen vier Erdsphären (Hydrosphäre, Kryosphäre, Biosphäre, Lithosphäre). Um neben allen anderen Witterungsvorgängen auch den Temperaturverlauf in einem statistisch relevanten Zeitrahmen mit ausreichender Genauigkeit darzustellen, empfiehlt die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) die Verwendung von Referenzperioden (auch Normalperioden oder CLINO-Perioden), in denen die Monatsmittelwerte als Zeitreihe über 30 Jahre in einem Datensatz zusammengefasst werden. Gegenwärtig ist die Referenzperiode der Jahre 1961 bis 1990 der gültige und allgemein gebräuchliche Vergleichsmassstab. Dieser wird nach 2021 von der neuen Normalperiode 1991 bis 2020 abgelöst.»
Die Klimaforschung entwickelt auf der Basis von Grundannahmen und bestehendem Wissen Modelle, also vereinfachende Nachbildungen, von komplexen natürlichen Phänomenen. Messungen und mathematisch-statistische Verfahren spielen dabei eine wichtige Rolle, aber auch Entscheidungen und Vorannahmen. Welche Faktoren bezieht man ein? Welche Zeiträume betrachtet man? Wie gewichtet man diese Faktoren? Zu jeder Wissenschaft gehören zwangsläufig auch Zweifel an den eigenen Modellen: Wie verlässlich sind die Messverfahren? Wie zuverlässig sind die historischen Aufzeichnungen? Welche blinden Flecken haben die Modelle? Dies führt üblicherweise zu einem produktiven Streit zwischen Forschungsrichtungen, die aus verschiedenen Perspektiven, mit verschiedenen Methoden ein und denselben Gegenstand beforschen, immer der Tatsache eingedenk, dass sich die wissenschaftliche Wahrheit von heute schon morgen als Irrtum entpuppen könnte.
Insofern ist das, was sich auf der Ebene der Wissenschaft als weites Feld darstellt, für Laien, zu denen auch die politischen Entscheidungsträger gehören, intellektuell gar nicht zu bewältigen. Es wird zu einer Frage des Vertrauens, wenn es um die wissenschaftliche Klimaforschung geht, und zu einer Glaubenssache, wenn nicht gar zu einer vormodernen Form der Autoritätshörigkeit, wenn es zum Beispiel um die Rolle von Experten im Klimadiskurs geht.
Das liegt daran, dass sich abstrakte Modelle unserer Anschauung prinzipiell entziehen. Wir können lediglich beobachten, ob bestimmte Wetterlagen, Extremereignisse oder Naturveränderungen in unserer Lebensspanne gehäuft oder vermindert auftreten. Aber belegt die Fülle der angeführten Phänomene für den Laien schon die Geltung der Hypothese, dass diese Veränderungen (allein) vom Menschen verursacht sind? Hand aufs Herz: Wer traut sich zu, mit Gewissheit ein Urteil in dieser Frage zu fällen? So haben beispielsweise 90 renommierte italienische Forscher ein Papier verfasst, in dem sie nicht den Klimawandel, aber die menschliche Verursachung desselben in Frage stellen (vgl. http://www.opinione.it/cultura/2019/06/19/redazione_riscaldamento-globale-antropico-clima-inquinamento-uberto-crescenti-antonino-zichichi/).
Wie ist dies zu bewerten? Kommen nun redliche Forscher dem Gebot des wissenschaftlichen Zweifels im Namen der Wahrheit nach? Oder sind hier Menschen mit korrumpierter Gesinnung unterwegs, die sich vor den Karren der Industrie spannen lassen? Haben sie Unrecht, weil sie in der Minderheit sind? Haben sie Recht, weil sie mutig gegen «den Mainstream» antreten? Offengestanden: Ich kann das nicht beurteilen und enthalte mich deshalb eines abschliessenden Urteils. Doch aus meiner eigenen wissenschaftlichen Tätigkeit weiss ich, dass die meisten Forschungsfragen komplex und nur vorläufig zu beantworten sind, so dass ich zögern würde, radikale politische Programme mit ungewisser Wirkung auf solche Grundlagen zu stellen. Hinzu kommt, dass die Institute ihr Forschungsfähnchen nach dem Wind der Drittmittel ausrichten müssen, so dass unabhängige Forschung mangels Finanzierung kaum stattfinden kann (vgl. Spelsberg/Burchardt: «Unter dem Joch des Drittmittelfetischs». In: «Frankfurter Allgemeine Zeitung» vom 15. Januar 2015, S.15).
Doch auch wenn vielleicht nicht abschliessend zu klären sein sollte, wie gross der Anteil des Menschen an den Klimaveränderungen ist, reichen die oben angeführten Begründungen schon völlig aus, um Verantwortung für unsere Lebengrundlagen zu übernehmen.
Der expertokratisch geführte und interessengeleitete Klimadiskurs jedenfalls vernebelt Bürgerinnen und Bürgern ihre unmittelbare Anschauung und Urteilsfähigkeit, verlagert den Handlungsraum in einen unsichtbaren Bereich abstrakter Modelle. Letztlich wird dann via dramatisierender Visualisierung eine propagandistische Scheinwelt in den Seelen der Menschen errichtet. Die übertriebenen Beschwörungen vermeintlicher Evidenz entlarven sich glücklicherweise inzwischen selbst, wenn wirklich jedes Ereignis klimapopulistisch ausgeschlachtet wird. Bestes Beispiel dafür sind die einschlägigen Äusserungen der Bundesvorsitzenden der Grünen, Annalena Baerbock, die die Hymnenzittersymptomatik der Kanzlerin als Folge der Klimakatastrophe deutet (vgl. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/annalena-baerbock-zittern-von-angela-merkel-haengt-mit-klimawandel-zusammen-a-1274955.html). Damit gibt Baerbock und all jene, die ähnlich wie sie argumentieren, jegliche wissenschaftliche Expertise und das Engagement von Umwelt- und Naturschutzgruppen der Lächerlichkeit preis, indem sie die Deutungskraft der Klimahypothese politisch überstrapazieren.

«Die Klimaforschung entwickelt auf der Basis von Grundannahmen und bestehendem Wissen Modelle, also vereinfachende Nachbildungen, von komplexen natürlichen Phänomenen. Messungen und mathematisch-statistische Verfahren spielen dabei eine wichtige Rolle, aber auch Entscheidungen und Vorannahmen. Welche Faktoren bezieht man ein? Welche Zeiträume betrachtet man? Wie gewichtet man diese Faktoren? Zu jeder Wissenschaft gehören zwangsläufig auch Zweifel an den eigenen Modellen: Wie verlässlich sind die Messverfahren? Wie zuverlässig sind die historischen Aufzeichnungen? Welche blinden Flecken haben die Modelle? Dies führt üblicherweise zu einem produktiven Streit zwischen Forschungsrichtungen, die aus verschiedenen Perspektiven, mit verschiedenen Methoden ein und denselben Gegenstand beforschen, immer der Tatsache eingedenk, dass sich die wissenschaftliche Wahrheit von heute schon morgen als Irrtum entpuppen könnte.»

Der Klimadiskurs als Schockstrategie: «I want you to panic!» – Greta Thunberg

Ein weiterer Aspekt zeigt deutlich, wie der Klimadiskurs die Klimaforschung korrumpiert: die düstere Prognose. Vielleicht liegt es an meinem Lebensalter, aber ich habe schon einige Apokalypsen bezüglich Aids, Rinderwahn, Ozonloch und Waldsterben überlebt und reagiere deshalb skeptisch bis allergisch auf den gegenwärtigen Alarmismus. Hoimar von Ditfurth empfahl der sogenannten No-future-Generation in den achtziger Jahren in Aufnahme des berühmten Luther-Zitates, ein Apfelbäumchen zu pflanzen, da die Welt bald untergehen werde. Neben der atomaren Kriegsgefahr wurde insbesondere das Waldsterben als Symptom der Ökoapokalypse beschworen, flankiert durch das Ozonloch. Ich war damals fest davon überzeugt, dass meine Kinder im Jahr 2000 keine Bäume mehr sehen würden. Entsprechend depressiv verlief meine Jugend, bekam ich doch vermittelt, dass angesichts des alternativlosen Weltuntergangs mein Leben und jegliches politische Engagement komplett sinnlos sein müssen.
In diesem Jahr erzählte mir ein befreundeter Dokumentarfilmer, wie Journalisten in öffentlich-rechtlichen Medien insbesondere die Möglichkeiten der technischen Bildmanipulation zur Visualisierung des drohenden Waldsterbens heranzogen, im besten Glauben, damit die Bevölkerung aufzurütteln. Ist diese Selbstmoralisierung der Meinungsmacht gerechtfertigt? Auch heute lesen und sehen wir aufrüttelnde Berichte und Computersimulationen, die ganz im Sinne des Propaganda-Experten Walter Lippmann den Menschen innere Bilder einpflanzen, die dann als konstruierte Pseudoumwelt zum Ausgangspunkt ihrer Handlungen in der sozialen Welt werden sollen. Walter Ötsch zeigt, dass die Herrschaft über diese Bilder ein wesentliches Instrument der Menschensteuerung darstellt (vgl. https://www.nachdenkseiten.de/?p=45252).
Dabei ist es dann auch völlig gleichgültig, wie zutreffend die Prognosen sind oder waren. Niemand zieht die Hellseher für ihre Irrtümer zur Rechenschaft, denn nichts ist bekanntlich älter als die Zeitung von gestern und nichts wahrer als eine edle Gesinnung. 1974 schürte Der Spiegel beispielsweise Panik vor einer neuen Eiszeit (vgl. https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41667249.html), und 2007 prognostizierte «Die Welt», dass der Nordpol bereits 2013 eisfrei sein werde (vgl. https://www.welt.de/wissenschaft/article1456952/Nordpol-bereits-in-fuenf-Jahren-eisfrei.html).
Legen hier nicht die Alarmisten selbst die Saat der Klimawandelskepsis? Nun könnte man pragmatisch antworten: Der Zweck heiligt die Mittel, wenn man den Weltuntergang vermeiden wolle, dürfe man halt mit der Wahrheit nicht so zimperlich sein. Ob allerdings der Fortbestand einer Welt besonders wünschenswert ist, in der die Lüge zum Strukturprinzip des Politischen erhoben wird, steht auf einem ganz anderen Blatt. Ob die Emotionalisierung und Panikmache der Umwelt und den Menschen wirklich dienen, darf jedenfalls bezweifelt werden. Das Ausstreuen von Ängsten gleicht einer seelischen Umweltverschmutzung, die den Menschen krankmacht. Vielleicht ist genau das ein willkommener Effekt der Trittbrettfahrer der Klimahysterie.
Nüchtern betrachtet sind Prognosen insgesamt immer ein spekulatives Geschäft: Schon der Wetterbericht wird ungenauer, je weiter sich die Vorhersagen in die Zukunft erstrecken. Wie verlässlich können Klimaprognosen sein, wenn sie allesamt auf Modellen beruhen, die zwangsläufig mit blinden Flecken behaftet sind? Diese rhetorische Frage ist übrigens kein Einwand gegen die Klimaforschung, sondern bloss gegen deren schockstrategische Ausschlachtung im medial-politischen Klimadiskurs. Jeder Klimawissenschaftler wird sofort die begrenzte Aussage- und Prognosekraft seiner Modelle bestätigen: Es könnte auch anders kommen.
Das steht übrigens auch im Kleingedruckten des Sachstandberichtes des IPCC, eines Think tanks der Vereinten Nationen, der in den Medien mit der weihevollen Bezeichnung «Weltklimarat» als intellektuelle Letzt­instanz des globalen Klimaregimes tituliert wird:
«In climate research and modelling, we should recognise that we are dealing with a coupled non-linear chaotic system, and therefore that the long-term prediction of future climate states is not possible.» («Climate Change 2001», S. 774. Quelle: https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2018/03/WGI_TAR_full_report.pdf)
In der Dramatisierung einer Weltuntergangsprognose konkurriert der Klimadiskurs jedenfalls mit dem 11. September 2001, dem grossen Schock, der zur Einschränkung von Bürgerrechten und als Kriegsgrund herhalten musste. Die Bedrohungsszenarien, die sich als innere Bilder in unsere Seele eingebrannt haben, stressen unser Reptilienhirn und machen uns dadurch unmündig und steuerbar. Jedem Diskurs, der uns unter Zeitdruck setzen will, der Angst verbreitet, sollten wir deshalb grundsätzlich misstrauen. Es handelt sich dabei oft genug um eine bewährte Manipulationstechnik, die in Unternehmen und auch öffentlichen Einrichtungen als Change Management betrieben wird. Dabei sollen nicht nur äussere Gegebenheiten, sondern auch innere Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale von Mitarbeiterinnen verändert werden. Diese Veränderungsprozesse appellieren aber nicht an die vernünftige Einsicht der Betroffenen, weil diese mögliche Gegenargumente oder begründete Widerstände vorbringen könnten. Vielmehr soll durch Psychotechniken die Souveränität der Personen systematisch unterlaufen werden. Schock, Überforderung, paradoxe Imperative, Schuldzuweisungen, Zerschlagung bestehender Gruppen, Irritationen durch Veränderungen im räumlichen Umfeld, neue Sprachgepflogenheiten und so fort entziehen den Menschen Sicherheiten und machen sie dadurch steuerbar. Es handelt sich hierbei um sozialtechnologisch ausgeklügelte Herrschaftstechniken, die selbstverständlich auch zur Manipulation der politischen Öffentlichkeit genutzt werden (vgl. http://peira.org/wp-content/uploads/2013/10/swr2-wissen-20131006.pdf).

«Legen hier nicht die Alarmisten selbst die Saat der Klimawandel­skepsis? Nun könnte man pragmatisch antworten: Der Zweck heiligt die Mittel, wenn man den Weltuntergang vermeiden wolle, dürfe man halt mit der Wahrheit nicht so zimperlich sein. Ob allerdings der Fortbestand einer Welt besonders wünschenswert ist, in der die Lüge zum Strukturprinzip des Politischen erhoben wird, steht auf einem ganz anderen Blatt. Ob die Emotionalisierung und Panikmache der Umwelt und den Menschen wirklich dienen, darf jedenfalls bezweifelt werden. Das Ausstreuen von Ängsten gleicht einer seelischen Umweltverschmutzung, die den Menschen krankmacht. Vielleicht ist genau das ein willkommener Effekt der Trittbrettfahrer der Klimahysterie.»

Der Klimadiskurs als Populismus

In einem durchaus plausiblen Szenario könnte es sein, dass in naher Zukunft vor allem die AfD und die Grünen Wählerstimmen auf sich ziehen werden, weil sie im Unterschied zu den ehemaligen Volksparteien klar ein Thema besetzen und aggressiv vertreten. Die Vertreter der erstgenannten Partei sehen die Welt aus nationalistisch-autoritärer, die der anderen unter globalistisch-ökorepressiver Perspektive. Keine der beiden Positionen allerdings wird den Ansprüchen einer souveränistisch-demokratischen Politikauffassung gerecht, also einer Konzeption des Staates, der allein seinen Bürgern (demokratisch) und weder NGO noch irgendwelchen transnationalen oder transatlantischen Strukturen verpflichtet ist, um auch aussenpolitisch souverän agieren zu können. Bei allen inhaltlichen und konzeptionellen Differenzen finden sich in beiden Lagern aber auch gewisse Ähnlichkeiten in den mobilisierenden Kommunikationsmustern. Dort wird die Bedrohung des kulturellen oder ethnischen Identitätsverlustes thematisiert, hier die Ökoapokalypse beschworen. Beide Diskurse umkreisen einen gewissen Wahrheitskern, der aber durch Emotionalisierung und Dramatisierung aufgebläht wird, Ängste schürt und durch Radikalisierung schliesslich die Gesellschaft spaltet. Während es bei den einen um das Eigene und das Fremde geht, wenden sich die anderen als politisch korrekte Sprecher und Klimaschoner gegen die Kettenraucher, Dieselfahrer, Sexisten, Fleischesser und Umweltverschmutzer, gegen Globalisierungsverlierer und sozial Abgehängte. Und so ähneln sich beide Seiten in ihrem Schwarzweissdenken, in ihren Freund-Feind-Schemata und im unterkomplexen, monothematischen Welterklärungsmodell mit hoher Mobilisierungskraft. Doch letztlich vertreten sie vermutlich ohnehin bloss Scheinalternativen innerhalb des neoliberalen Regimes.
Der Klimadiskurs beschert den Grünen jedenfalls einen Höhenflug in den Umfragen und macht damit vergessen, dass es diese Partei war, die die Bundesrepublik in Person von Joschka Fischer zum ersten Mal seit 1945 in militärische Konflikte geführt und die Abwicklung des Sozialstaates durch die neoliberalen Hartz-Reformen ermöglicht hat. Eine Partei, die auf Landesebene ideologische Bildungspolitik zu Lasten der sozialen Gerechtigkeit und zu Lasten der Mündigkeit der nächsten Generation betrieben hat. Im Fegefeuer des Klimadiskurses verglühen die Erinnerungen an diese politischen Sünden, und zugleich werden die Waffen geschmiedet, die es braucht, um die Macht zu erobern, die Welt zu erlösen und als Klimagouvernante die Bevölkerung umzuerziehen.

Der Klimadiskurs als Instrument der Spaltung

Die Regierung um Emmanuel Macron nutzte den Klimadiskurs ihrerseits, um die neoliberale Agenda in Frankreich durchzudrücken. Entsprechend wurden die Gelbwesten als unerwünschte Menschen diffamiert: «Sie verkörpern nicht das Frankreich des 21. Jahrhunderts, das wir wollen.» (vgl. https://www.neues-deutschland.de/artikel/1124783.g-gipfel-francafrique-a-la-macron.html) Bei den Menschen, die auf die Strasse gingen, handele es sich um «Kettenraucher und Dieselfahrer». Wer sich ein eigenes Bild von diesen als verkommen dargestellten Menschen machen möchte, sollte dies hier tun (vgl. https://m.youtube.com/watch?v=cBiHJxGxz1g). In dem Video wird die moralische Überheblichkeit der urban-globalistischen Eliten und die Degradierung der Bevölkerung wunderbar ironisiert.

Doch nicht nur Eliten und Nicht-Privilegierte werden gegeneinander ausgespielt, ebenso geht es um Stadt versus Land, jung versus alt, gegenwärtige Menschheit versus Menschheit der Zukunft. Insbesondere der Spin einer Anklage gegen die ältere Generation, die die Klimakatastrophe angeblich verursacht oder zumindest nicht verhindert habe, erinnert in seiner medialen Inszenierung an einen Kinderkreuzzug mit quasi-religiösem Gestus. Da stellt sich die Frage: Wird hier nicht der politische Idealismus einer ganzen Generation ausgebeutet? Mit der Perspektive einer absehbaren Frustration, die den Beteiligten ein für allemal die Motivation für ein politisches Engagement rauben wird? Greta Thunberg wurde spätestens nach ihrem wohl­inszenierten Auftritt in Davos von den Medien zur Prophetin stilisiert.
Die Anklage der älteren Generation ist unfair und spaltend. Die Eltern der Freitagsdemonstranten haben sich in ihrer Jugend selbst ökologisch engagiert, sind nach 1989 durch den neoliberalen Putsch im Osten und Westen der Republik hinreichend gestresst gewesen, sich um das eigene Durchkommen zu kümmern und ihren Kindern eine einigermassen erträgliche Kindheit zu ermöglichen, während die Machteliten im Hintergrund die Globalisierung vorangetrieben und soziale Abstiegsängste geschürt haben, Terror und Kriege angezettelt, Demokratie, Gesundheitssystem, Bildungswesen, Sozialstaat, Rechtsstaat und Bürgerrechte geschliffen haben. Hier werden Opfer zu Tätern gemacht, damit die wahren Schuldigen für soziales, politisches und ökologisches Elend im dunklen bleiben können. Politische Energie, die sich gegen die tatsächlich verantwortlichen Akteure wenden könnte, wird damit durch das bewährte «divide et impera» (spalte und herrsche) von vornherein neutralisiert.

Der Klimadiskurs als Antihumanismus

In der Ursuppe der grünen Bewegung finden sich viele Bestandteile: Neben Friedensbewegung, Anti-Atom-Bewegung, Feminismus, Umweltschutzgruppen und Bürgerinitiativen auch unappetitlichere Zutaten wie Aktivisten für die Legalisierung der Pädosexualität oder Anhänger der Tiefenökologie und der Gaia-Theorie. In diesen letztgenannten Strömungen erscheint der Mensch als das eigentliche ökologische Problem, als ein Störenfried, dessen Existenz der Erde per se Schaden zufüge; pointiert zusammengefasst in dem altbekannten Witz:
Treffen sich zwei Planeten. Sagt der eine zum anderen: «Du siehst aber schlecht aus. Bist Du krank?» Antwort: «Ja, ich hab’ Mensch.» «Du Armer! Aber keine Sorge, das geht vorüber!»
Die Lösung der ökologischen Krise besteht nach Sicht der radikalen Vertreter dieser Überzeugung in der Beseitigung des Menschen, wenn nicht total, so doch zumindest quantitativ oder qualitativ. Populationsmanagement wie Sterilisierung, Geburtenkontrolle, Spekulation mit Lebensmitteln richtet sich dementsprechend gegen bestimmte Gruppen von Menschen, Afrikaner, Chinesen, Arme, Behinderte, Kettenraucher. Exemplarisch hierfür ist die Diskussion zwischen Christoph Butterwegge und Richard David Precht über ein bedingungsloses Grundeinkommen auf der PhilCologne:

Precht: Kein Grundeinkommen für Säuglinge, Herr Butterwegge, sondern für alle ab 21. […]
Butterwegge: Und was ist mit dem Kindergeld? Das Kindergeld fällt weg?
Precht: Ja, selbstverständlich.
Butterwegge: Okay, wenn das Kindergeld wegfällt, dann soll also, wer fünf Kinder hat, diese von 1500 Euro ernähren, und jemand, der keine Kinder hat, kann das Grundeinkommen anderweitig verprassen?
Precht: Sie haben es genau erfasst. Ich möchte nicht, dass jemand, der 1500 Euro Grundeinkommen hat und keine Perspektive auf einen Beruf, auf die Idee kommt, fünf Kinder zu kriegen.
Butterwegge: Also das ist jetzt nicht mehr nur neoliberal, sondern schon sozialreaktionär.
(Quelle: Philosophie Magazin, August/September 2018, S. 61)

In der Sicht des Armutsforschers Butterwegge erweist sich ein sozialpolitisches Konzept wie das bedingungslose Grundeinkommen als biopolitisches Steuerungsinstrument mit sozialdarwinistischem Unterton: Fortpflanzung bitte nur für die Erfolgreichen!
Im Hintergrund dieser Denkweise steht der Malthusianismus, die Vorstellung, dass Bevölkerungswachstum irgendwann zwangsläufig zur Verelendung der Massen führen müsse, insbesondere weil sich die Ungebildeten oder Unzivilisierten besonders ungehemmt fortpflanzen würden. Diese Suggestion legt nahe, dass die beste Weise der Armutsbekämpfung aus der Geburtenkontrolle bei Minderleistern bestehen müsse.
Im Klimadiskurs findet sich das Bild des ökologischen Fussabdrucks, das durchaus einen pädagogischen Sinn zur Veranschaulichung des Ressourcenverbrauchs von Menschen oder Nationen hat. Doch gleichzeitig schafft der Gedanke des Fussabdrucks das Bild einer Konkurrenzsituation: Fuss ohne Raum. Dies kann zu Selbstzweifeln oder Auslöschungsfantasien führen: Darf ich überhaupt meinen Fuss auf die Erde setzen? Sollten nicht lieber ein paar Millionen Menschen woanders verschwinden, damit ich mehr Platz habe? Wäre nicht mal wieder ein Krieg nötig, so als eine Art Reinigung, wie ein Peeling für die Erdoberfläche?
Den kleinsten Fussabdruck haben die ungeborenen, niemals existenten Wesen, weshalb der Antinatalismus, also die Ablehnung von Zeugung menschlichen Nachwuchses schlechthin, ein Musterschüler des Klimadiskurses ist (vgl. https://www.zeit.de/kultur/2018-04/antinatalismus-theophile-de-giraud-bevoelkerungswachstum-feminismus). Kinderlosigkeit beschert nicht nur den fruchtlosen Nicht-Eltern viele Freiheiten, sondern erspart auch der Erde den Fussabdruck der nächsten Generation.
Diese auf den ersten Blick sehr plausible Argumentation krankt an ihrer sozialen Blindheit, die schnell geheilt werden kann, wenn man sich anschaut, wer diese Theorie mit Leidenschaft propagiert (vgl. https://www.weforum.org/agenda/2018/09/africas-rapid-population-growth-puts-poverty-progress-at-risk-says-gates).
Bill Gates warnte 2018 vor dem Bevölkerungswachstum in Afrika – und zwar auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, einem Ort, an dem wohl niemand von uns, habe er auch noch so ein grosses Sendungsbedürfnis, jemals sprechen dürfte, wohl aber Greta Thunberg. Komisch eigentlich.
Dass sich aber ausgerechnet einer der reichsten Menschen der Welt mit seiner Stiftung zur Reduzierung der Weltbevölkerung einsetzt, könnte als Zeichen überschäumender Philanthropie (Menschenliebe) gewertet werden oder als antihumanistischer Zynismus eines dreifachen Familienvaters. Rechnet man nämlich die Milliarden der ersten zehn Reichen auf der Forbes-Liste in Fuss­abdrücke um, dann gäbe es – bei ein wenig Bescheidenheit dieser Familien – neben dem Gates-Nachwuchs durchaus noch etwas Platz für ein paar indische Mädchen, chinesische Zwillinge oder afrikanische Tönnies-Babys.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Selbstverständlich sollten sich Menschen mit dem Thema der eigenen Fortpflanzung oder gesamtgesellschaftlichen Demographie beschäftigen, schon im Sinne der Kinder, für deren Wohl man im privaten wie im öffentlichen Raum einzustehen hat. Aber im Kontext des Klimadiskurses entstehen doch gewisse soziale Unwuchten, wenn sich die grossen Profiteure des Neoliberalismus ausgerechnet die Schwächsten der Welt aussuchen, um ihnen die Verantwortung für den Planeten zuzuschieben. Antinatalismus, Sozialdarwinismus und eugenische Selektion sind massive Auswüchse eines Antihumanismus, der nicht nur inhumane Verhältnisse legitimiert, sondern die globale Selbsttilgung des Menschen schlechthin in den Raum stellt. Was übrigens zu dem Paradox führt, dass der Klimadiskurs sich einerseits zum Anwalt der ungeborenen zukünftigen Generationen aufschwingt und gleichzeitig deren Existenz durch Antinatalismus bekämpft.

«Im Klimadiskurs findet sich das Bild des ökologischen Fussabdrucks, das durchaus einen pädagogischen Sinn zur Veranschaulichung des Ressourcenverbrauchs von Menschen oder Nationen hat. Doch gleichzeitig schafft der Gedanke des Fussabdrucks das Bild einer Konkurrenzsituation: Fuss ohne Raum. Dies kann zu Selbstzweifeln oder Auslöschungsfantasien führen: Darf ich überhaupt meinen Fuss auf die Erde setzen? Sollten nicht lieber ein paar Millionen Menschen woanders verschwinden, damit ich mehr Platz habe? Wäre nicht mal wieder ein Krieg nötig, so als eine Art Reinigung, wie ein Peeling für die Erdoberfläche? Den kleinsten Fussabdruck haben die ungeborenen, niemals existenten Wesen, weshalb der Antinatalismus, also die Ablehnung von Zeugung menschlichen Nachwuchses schlechthin, ein Musterschüler des Klimadiskurses ist.»

Der Klimadiskurs als neoliberales Umerziehungsprogramm

Der Neoliberalimus ist weit mehr als ein Modell zur Ausgestaltung des Wirtschaftsraumes. Er ist in seinem Anspruch totalitär und durchdringt alle Bereiche des menschlichen Lebens. Da Menschen aber von sich aus und auch auf Grund ihrer geschichtlichen Erfahrungen eine andere Lebensweise bevorzugen würden, bedarf es der propagandistischen Umprogrammierung der Menschen. Der «neue Mensch» muss her, der «alte Mensch» mit seinen Gewohnheiten und Wertbindungen wird als Wurzel allen Übels identifiziert und umerzogen, damit ganz im Sinne der Regierung Macrons nur noch diejenigen Menschen leben, die das Frankreich des 21. Jahrhunderts verkörpern. Damit wird allerdings das Prinzip der demokratischen Repräsentation auf den Kopf gestellt. Die politische Elite ist nun ganz offenkundig nicht mehr dazu da, den Willen der Bürgerinnen und Bürger einzulösen, sondern masst sich an, die Menschen zu konstruieren, die zu ihrer Politik passen.
Auch hört man immer wieder aus den Lautsprechern des Klimadiskurses, dass es um eine «Veränderung des Lebensstils» gehe (vgl. https://www.tagesschau.de/ausland/smile-for-future-101.html). Dafür scheint vieles zu sprechen, schliesslich leben wir immer noch viel zu verschwenderisch und schätzen beispielsweise die Gaben der Natur und die Mühen der Landwirte und Bauern viel zu gering. Darüber muss natürlich gesprochen werden. Aber auch hier hilft die Erinnerung an die nähere Vergangenheit der politischen Rhetorik. Ganz harmlos erklang dort wiederholt die Formel: Man müsse den «Gürtel enger schnallen», das heisst, zum Wohle aller wurde der Verzicht des Einzelnen eingefordert. Nun schnallen wir schon seit Jahrzehnten die Gürtel enger, aber wo bleibt die versprochene Belohnung? Oder bin ich an der Finanz- und Bankenkrise schuld, weil ich «über meine Verhältnisse» gelebt habe? Nein, das bin ich nicht! Aber ich habe noch gestern Bill Gates im Lederwarengeschäft getroffen. Dort hat er sich fünf neue Löcher in den Gürtel stanzen lassen, weil er diesen schon wieder weiter schnallen muss.
Also taugen die ökonomischen und ökologischen Krisen wunderbar als Waffe im Krieg der Eliten gegen die Bevölkerungen. Oder wie Warren Buffet es formuliert: «There’s class warfare, all right, but it’s my class, the rich class, that’s making war, and we’re winning.» («New York Times» vom 26. November 2006). Ein politisches Problem – etwa der Umwelt- und Industriepolitik – wird durch den Klimadiskurs aus dem Raum der demokratischen Öffentlichkeit in die Sphäre der privaten Lebensführung verlagert. Dabei bleiben die eigentlichen Verursacher und Profiteure der sozialen und ökologischen Probleme aber unsichtbar und die Probleme ungelöst, während sich der Einzelne auf dem Resonanzboden von Idealismus oder schlechtem Gewissen abrackert, um den Planeten zu retten. Der Klimadiskurs verklappt die Verwerfungen des entfesselten Neoliberalismus in die Biographien der nicht-privilegierten Menschen, die ohnehin gerade im Mahlstrom der Globalisierung, Modernisierung und Migration in eine Zone der Unsicherheit getrieben wurden (vgl. Hannes Hofbauer: «Kritik der Migration», Wien 2018). Die angedachte CO2-Steuer, die der wissenschaftliche Dienst des Bundestags nebenbei für verfassungswidrig hält (vgl. https://www.welt.de/politik/deutschland/article198175347/Wissenschaftlicher-Dienst-CO2-Steuer-waere-verfassungswidrig.html), würde Menschen ohne oder mit niedrigen Einkommen über Gebühr belasten. Mitglieder des englischen Königshauses fällt es nicht schwer, einen ökologischen Obolus zum Ausgleich für häufige Flugreisen mit dem Privatjet zu entrichten. Menschen in ländlichen Gegenden, wo im Zuge von Neoliberalismus und Globalisierung die Infrastruktur, ÖPNV, Arbeit, Versorgung und kulturelle Einbindung dürftiger geworden sind, müssen mit dem Privat-Pkw zur Arbeit pendeln. Die von Bertelsmann angedrohte Schliessung von Krankenhäusern erhöht den CO2-intensiven Mobilitätsdruck auf Menschen in bestimmten Regionen (vgl. https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/zusammenschluesse/bag-gesundheit-und-soziales/erklaerungen-und-stellungnahmen/detail/news/bertelsmann-plant-krankenhaus-landschaft/). Solange also keine Alternative besteht, wird das Leben der Menschen nicht klimagerechter, sondern einfach nur teurer, wenn sie weiter am gesellschaftlichen Leben partizipieren wollen.
Der Klimadiskurs bespielt eine neoliberale Strategie, die in der Soziologie «Responsivierung» genannt wird: Gemeint ist, dass Menschen für Dinge verantwortlich erklärt werden, die systemisch und strukturell an anderer Stelle erzeugt wurden, ohne dass man ihnen politische Gestaltungsmacht für tatsächliche Veränderung oder auch nur Ressourcen zur Bewältigung dieser Aufgaben in die Hände gibt. Der Pflegenotstand wäre ein gutes Beispiel: Man ökonomisiert das Gesundheitswesen, zieht aber die ausgebeuteten Pflegekräfte dafür zur Verantwortung. Sie müssen eben aus dem Mangel ein Minimum an Humanität für die Pflegebedürftigen schöpfen. Da man empathisch und idealistisch in den Beruf gegangen ist, folgt aus der künstlich herbeigeführten Knappheit meist die Selbstausbeutung der Pflegekräfte. Das Kraftfeld der Responsivierung presst die letzten Ressourcen aus den Beschäftigten: Humanfracking.
Ähnlich funktioniert der Appell an «Verbraucher», keine ökologisch oder sozial belasteten Produkte zu kaufen. So als wäre ein Hartz-IV-Empfänger verantwortlich für die schlechten Arbeitsbedingungen der Näherinnen in den Billiglohnländern, weil er keine Ökotextilien aus dem Westerwald kauft. Das Leben komplett mit Produkten aus dem Bioladen zu bestreiten, ist finanziell nicht allen Menschen möglich. Politische Fragen zu Fragen des Konsums herabzustufen beleidigt die politische Freiheit des Bürgers, der mehr und anders ist als ein Homo oeconomicus.
Es ist zynisch, wenn der Klimadiskurs das gesamtgesellschaftliche Problem der ökologischen Verwerfungen in das schlechte Gewissen, das Portemonnaie und das Verzichtverhalten der Einzelnen verlagert, solange die wirklichen Ursachen weder geklärt, offengelegt, noch politisch angegangen werden.

Ausblick

Der Artikel hat sich auf die Suche nach toxischen Bestandteilen des Klimadiskurses gemacht, will jedoch keinesfalls ökologische Gleichgültigkeit rechtfertigen, sondern eine politische Dekontamination dieses Diskurses, eine Entgiftung. Als heikle Inhaltsstoffe wurden festgestellt: Die Enteignung der politischen Urteilskraft, die Schockstrategie, der Populismus, die Spaltung, der Antihumanismus und die Umerziehungsprogrammatik. Im Zusammenspiel dieser Elemente entsteht ein schlagkräftiges Machtmittel, das den Weg in eine ebenso smarte wie totalitäre Klimadiktatur ebnen könnte. Dass es möglich und notwendig ist, Mensch und Natur pfleglicher zu behandeln, könnte als Wahrheitskern auch unabhängig von dem vergifteten Diskurs deutlich geworden sein …
Insofern lautet die Devise: Lebensgrundlagen für alle schaffen und bewahren! Aber bitte ohne apokalyptische Schockstrategien, ohne Expertokratie oder Prophetinnen, ohne Spaltung und Populismus, ohne eine eugenische oder sozialdarwinistische Agenda, ohne Orwell-Ökologismus und Umerziehungsprogramme. Der vermeintlich gute Zweck heiligt eben nicht jedes Mittel. Es bedarf offener Gespräche, wissenschaftlicher Kontroversen und auch des Respekts vor der Erfahrung sachkundiger Menschen ohne Expertenstatus.    •

* Dr. phil. Matthias Burchardt lehrt an der Universität zu Köln Philosophie und Pädagogik. Seine Forschungsgebiete sind: Anthropologie, Bildungstheorie und Bildungspolitik. Er ist stellvertretender Geschäftsführer bei der Gesellschaft für Bildung und Wissen (GBW), die sich kritisch mit den Bildungsreformen in Schule und Hochschule auseinandersetzt.